Wer ist bei „Gemeinsam Lösungen finden“ denn mit „Gemeinsam“ gemeint, so ganz generell? Meiner Meinung nach alle, natürlich gemäss ihren Möglichkeiten. Partizipation ist wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft, für die Bildung von Gemeinschaft. Auf kommunaler Stufe liegt hier ein riesiges Potential. Partizipation ist aber nicht ganz ohne. Eine erste Frage dabei ist: Wer darf partizipieren? Die sogenannten Bürger:innen? Schweizer:innen ab 18?
Bezüglich Alter halte ich es mit dem Philosophen Markus Gabriel, der Stimmrechtsalter 5 fordert. Der grosse Bevölkerungsanteil der Kinder und Jugendlichen – über deren Zukunft ja üblicherweise beschlossen wird – sollte nicht ausgeschlossen werden. Genauso gilt das für die Buchser:innen ohne Schweizer Pass, die einen relevanten Teil unserer Bevölkerung stellen und somit doch mitreden dürfen sollten. Mangels gesetzlicher Grundlagen im Moment, und weil dies bezüglich Wahlen und Abstimmungen formal sowieso besser grad national umgesetzt werden sollte, können wir das kommunal ja viel einfacher angehen. Bei allerlei Partizipationsformaten gelten diese Einschränkungen nämlich nicht notwendigerweise.
Stolpersteine bei der Partizipation
Warum bietet Partizipation viele Stolpersteine? Ein erster ist die Erwartung der Partizipierenden. Warum haben wir jetzt stundenlang mitdiskutiert, nur damit nachher jemand anderes beschliesst, was er oder sie will? Hier geht es um Missverständnisse oder einfach schlechte Kommunikation. Bei Partizipationsprozessen muss doch immer im vorneherein klar sein, worum es geht. Ob und wieweit Entscheidungen getroffen werden können. Wieviel davon konsultativ ist und inwiefern hier wirklich „Macht“ abgegeben wird.
Und das Abgeben von Macht führt zum zweiten Stolperstein. Ja, echte Partizipation bedeutet eben aus Sicht der Politiker:innen ein Abgeben von Macht. Für eine partizipativ, echt demokratisch erarbeitete Lösung. Das sollte es doch Wert sein, oder nicht? Geht es um das Innehaben dieser Macht oder ums Finden der optimalen Lösungen? Nimmt man bei letzterem Hilfe an? Oder ist man davon überzeugt, dass nur man selbst die optimale Lösung finden kann? Und wenn man sie gefunden hat und erkennt, dass sie einem selbst Nachteile bringt: Spricht man sie trotzdem aus? Fragen zur Partizipation führen sehr schnell zu ganz fundamentalen Fragen der Motivation von Politiker:innen.
Ein dritter Stolperstein sind die Rahmenbedingungen. Diese müssen im vorneherein klar sein. Einiges davon versteht sich von selbst (hoffentlich): Vom eigenen und übergeordneten Recht über geltende Verträge bis hin zu den Menschenrechten. Anderes wird durch die (gewählte) Politik festgelegt – so sind nun mal die Spielregeln. Und das Wichtigste: Diese Rahmenbedingungen müssen im vornherein kommuniziert werden.
Ein konkreter und erprobter Vorschlag
Aber jetzt konkret: Wie könnte das denn vonstatten gehen, zum Beispiel hier in Buchs? Mich überzeugt das Konzept von Bürger:innenräten. Zugegeben, der Name kann verwirrend sein, da es eben nicht um Bürger:innen im strengen Sinn (mit Pass, über 18) geht – aber er hat sich nun halt mal so verbreitet. Ein Bürger:innenrat ist das Format, wie es zum Beispiel Extinction Rebellion in Bezug auf die Klimakatastrophe fordert, oder wie es Marlene Engelhorn für die sinnvolle Verteilung einiger ihrer Millionen eingerichtet hat. Und das schon an verschiedenen Orten in der Schweiz wie auch im Ausland erfolgreich angewendet wurde.
Bei einem Bürger:innenrat werden zufällig und repräsentativ Personen eingeladen. Natürlich in einer solchen Zahl, dass die Representativität auch erhalten bleibt unter Berücksichtigung der Anzahl Personen, die trotz Einladung nicht mitmachen wollen (was ja auch ok ist). Diese Personen bilden den „Rat“, und diesem wird nun z.B. das zu lösende Problem präsentiert. Als nächstes muss sich der Rat schlau machen. Gilt meinem Verständnis nach übrigens für jeden Rat. Dazu kann er zum Beispiel Fachleute einladen und anhören, wobei natürlich Unabhängigkeit offensichtlich von Vorteil ist. Irgendwann ist der Rat genügend schlau geworden und kann Lösungsvorschläge ausarbeiten und diskutieren, und zwar solange, bis Konsens über eine optimale Lösung herrscht. Diese wird dann umgesetzt. Klar, das ist eine etwas vereinfachte und naive Beschreibung, aber das Prinzip wird damit schon klar, oder?
Können wir das einfach mal versuchen? Wenn’s sein muss mit einem weniger wichtigen Thema, damit diese neumodische Idee nicht allzu viel Schaden anrichten kann. Aber viel lieber grad mit einem extrem wichtigen Thema, bei dem die herkömmliche Politik nicht wirklich weiterkommt. Klimakatastrophe bietet sich an, nur so zum Beispiel.