Vision: Buchs ist autofrei. Die dadurch unnötig gewordenen früher zugepflasterten und nun begrünten Flächen werden endlich zum Vorteil von Menschen und Tieren genutzt. Das Leben spielt sich vor allem auf belebten Plätzen in den Quartieren ab. Dort trifft man sich zu echten Begegnungen statt wie früher zum gemeinsamen Konsumerlebnis.

Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit – lesen Sie deshalb auch dann noch weiter, wenn Ihnen Obiges allzu fantastisch vorkommt.

Ganz im Sinn der Postwachstumsökonomie müssen wir aufhören, uns als Konsumenten zu verstehen und unsere Freizeit damit zu verbringen, „mit Geld, das wir nicht haben Dinge zu kaufen, die wir nicht brauchen um bei Leuten, die uns eigentlich egal sind, Eindruck zu hinterlassen“ (wie es Tim Jackson so schön formuliert hat). Freizeit wird trotz Steigerung der Bemühungen zur Selbstversorgung wegen der nötigen Arbeitszeitreduktion üppig vorhanden sein. Wir Menschen haben die Möglichkeit, unsere Freizeit sinnvoll und gewinnbringend (natürlich nicht im monetären Sinn) zu verbringen. In vielen Fällen geschieht dies gemeinsam bei Begegnungen, und für viele Leute ist die unmittelbare Umgebung ihres Zuhauses, also die Quartiere, der erste Ort für Begegnungen. Bei Begegnungen in inspirierendem Umfeld – ohne Konsumstress und Dauerberieselung durch Werbung – entstehen Ideen, die Grundlage für die Weiterentwicklung unseres gemeinsamen zivilisatorischen Projekts sein können. Zur Weiterentwicklung und teils zur Schaffung solcher Begegnungsstätten ist es unabdingbar, den Autoverkehr loszuwerden. Strassen und Parkplätze rauben immensen Platz, zerstückeln die Quartiere, erschweren das Spielen von Kindern, und verunmöglichen den Menschen, den ihnen gebührenden Raum einzunehmen. Autos stehen sowieso meist 95% der Zeit nur herum, und wenn sie fahren, leisten die meisten von ihnen einen grossen Beitrag zum Klimawandel. Aber es ist klar: Eine autofreie Stadt braucht durchdachte Alternativen zur Fortbewegung und vor allem auch für den Transport. Hier sind einige konkrete Ideen, wie wir beginnen können, um in zwanzig Jahren eine Stadt für Menschen statt für Autos zu haben.

Stärkung des Fussgänger- und Veloverkehrs. Die Stadt erfasst, unter Mithilfe ihrer Bürgerinnen und Bürger, alle aus Sicht von Fussgängern und Velofahrern ungeeigneten oder gar gefährlichen Stellen in ihrem Verkehrsnetz und schafft Abhilfe durch Signalisation oder bauliche Massnahmen. Im Zweifelsfall wird zu Gunsten des Langsamverkehrs entschieden.

Verkehrsreduktion in Quartierstrassen. Manche Quartierstrasse ist für den Durchgangsverkehr unnötig. Gewisse davon können nur für Zubringer befahrbar, andere zu Einbahnen umfunktioniert, und noch andere komplett gesperrt werden. Letztere werden zusätzlich ansprechend umgestaltet und umgenutzt – Platz um sich zu bewegen, um zu beobachten, zu spielen, Flächen für Gemeinschaftsgärten (sobald der Asphalt mal weg ist), spontane Strassencafés etc. An solchen Stellen können die Bürgerinnen und Bürger die Vorteile einer autofreien Stadt erleben und erkennen.

Reduktion von Parkplätzen. Wenn mehr Personen überzeugt werden, bei gewissen Fahrten aufs Auto zu verzichten, brauchen wir weniger Parkplätze, und diese können folglich umgenutzt werden. (Es ist sehr interessant – oder eher erschreckend –, eine Satellitenaufnahme von Buchs anzuschauen und sich auf die von Parkplätzen eingenommene Fläche zu konzentrieren.)

Ausbau des klassischen öffentlichen Verkehrs. Das klassische ÖV-Netz, in Buchs also Buslinien und Bahnverbindungen, muss unter die Lupe genommen und wo nötig auf einen Ausbau hingearbeitet werden. Das Ziel dabei ist ein vernünftiges Angebot – es ist wichtiger, häufige Verbindungen von früh bis spät zu haben, als auf einer gewissen Linie zwei Minuten Fahrzeit zu sparen und dafür regelmässig den Anschluss zu verpassen. Dies bedingt Verhandlungen mit den regionalen und nationalen Betreibern des öffentlichen Verkehrs.

Originelle Erweiterungen des öffentlichen Verkehrs. Hier ist das Feld weit offen mit Möglichkeiten mannigfacher neuer Geschäftsfelder. (Wer in einer an Digitalisierung kränkelnden Branche arbeitet, sollte sich besser heute als morgen Gedanken darüber machen.) Warum nicht eine Flotte von E-Taxis, für die beim Bahnhof sogar noch eine Überdachung bereitgestellt wird? (In Basel wurde dies gefördert, leider nur mit mässigem Erfolg. Die entsprechende Förderung für Unternehmen hingegen trifft offenbar auf so grosses Interesse, dass der zur Verfügung stehende Förderbeitrag, gespiesen aus einer Stromabgabe, für vier Jahre schon nach einem Jahr aufgebraucht und nun nochmals in gleicher Höhe gesprochen wurde.) Oder Rikschas – elektrische, oder noch besser mit reiner Muskelkraft angetriebene? Können wir aus den Leihveloprojekten in diversen anderen Städten lernen und hier ebenfalls ein solches Projekt aufziehen? Und warum fährt man eigentlich nur bei Geburtstagsfeiern und dergleichen mit einer Pferdekutsche? Die Stadt kann Ideen für originelle Erweiterungen des ÖVs anregen und fördern und damit ihren Beitrag zu seinem Umbau leisten.

Transportmöglichkeiten. Wie transportiert man Güter in einer autofreien Stadt? Auch hier brauchen wir Anbieter mit originellen Ideen. Bei einem Umlad auf elektrische Fahrzeuge à la Zermatt stellt sich die Frage der Kosten; eine Beteiligung der Stadt scheint mir sinnvoll. Aber auch ressourcenschonende Angebote wie die oben erwähnten Rikschas oder Kutschen sind möglich. Klar, das braucht etwas mehr Zeit und wird möglicherweise teurer. Aber dafür haben wir mehr Kostenwahrheit als bei all den räumlich, physisch und zeitlich entgrenzten Angeboten. Und was nicht vergessen werden darf: Mit dem Velo kann man viel mehr transportieren, als gemeinhin angenommen wird.

Park-and-Ride an der Stadtgrenze. Was macht man, wenn man mit dem Auto von auswärts in die autofreie Stadt Buchs kommt? (Am besten kommt man natürlich ohne Auto.) Am Stadtrand brauchen wir ein ausgebautes Park-and-Ride-System, das auf die verschiedenen Bedürfnisse – Besuch bei Privatpersonen in einem Quartier, Besuch einer kulturellen oder sportlichen Veranstaltung (wohl meist zusammen mit einer grösseren Menge weiterer Leute), Einkaufen, etc. – angepasst ist. Auch hier kann die Stadt Platz und Infrastruktur zur Verfügung stellen, die von Anbietern mit guten Konzepten genutzt werden können.

Umfahrungsmöglichkeiten. Die Möglichkeiten zur Umfahrung sind im Norden gegeben und im Süden noch ausbaufähig. Da die Hoffnung natürlich ist, dass sich Nachbargemeinden Buchs als Vorbild nehmen und sich ebenfalls autofreie Konzepte ausdenken, braucht es hier von Anfang an eine gute Zusammenarbeit mit diesen.

Menschengerechtes Bauen in den Quartieren. Die Stadt kann grossen Einfluss darauf ausüben, was und wie gebaut wird. Damit einher geht eine ebenso grosse Verantwortung. Anzustreben sind eine gute Durchmischung, und zwar sowohl in der Preisklasse als auch in der Art von Wohnraum. Bei Siedlungen mit Wohnblocks soll zudem sichergestellt werden, dass die Erdgeschosse nicht nur für Wohnungen und schon gar nicht für Büros, sondern für öffentlich nutzbare Angebote – Cafés, Reparaturwerkstätten, Läden mit lokalen Produkten, Treffpunkte für Familien mit kleinen Kindern, Ateliers, Gesundheitsdienstleistungen etc. – verwendet werden. Dies bedingt tiefe Mieten. Der Stadtforscher Christian Schmid von der ETHZ hat anfang August im Tages-Anzeiger schön formuliert, was man den Immobilienfirmen diesbezüglich sagen muss: „Ihr werdet an den Erdgeschossen weniger verdienen, doch das ist euer Beitrag zum städtischen Leben.“ Gute Umsetzungen dieser Ideen findet man übrigens im Lorettoviertel in Tübingen, wo ich über ein Jahr wohnen durfte.